Codex Alimentarius - Historischer Kommentar zum Richtlinienentwurf

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Die Ergänzungsmittelrichtlinie des Codex Alimentarius, eines internazionalen Gremiums zur Erstellung von weltweit harmonisierten Regeln für Nahrungsmittel, wird im November dieses Jahres voraussichtlich verabschiedet werden.

Die Beratungen hierzu ziehen sich schon über mehr als zehn Jahre hin, denn die deutsche Delegation zum Codex machte ihren Vorschlag im Jahre 1993, zu einem Zeitpunkt, als die europäische Regelung für die Ergänzungsmittel vorübergehend auf Eis gelegt worden war.

Beide Vorschläge - die Europaregelung und die des Codex - sind auf Druck der deutschen Pharmaindustrie eingebracht worden und drohen, weltweit die Verfügbarkeit von Nährstoffen für die Verbraucher stark einzuschränken. Gesundheit - so argumentiert man in Pharmakreisen - ist nur durch Arzneimittel zu erreichen. Wie grundfalsch dieser Gesichtspunkt ist, braucht wohl hier nicht hervorgehoben zu werden.

Im April 1994 schrieb ich an das Bundesgesundheitsamt, um den katastrophalen Richtlinienentwurf abzublocken, aber offensichtlich haben die Pharmahersteller stärkere Geschütze aufgefahren, um ihre Version durchzudrücken.

Hier der historische Kommentar zum Entwurf, der auch heute noch aktuell ist:

Kommentar zum Vorschlag des Bundesgesundheitsamtes für einen Richtlinienentwurf über Nahrungsergänzungsmittel - Vitamine und Mineralstoffe (Codex Alimentarius)

Josef Hasslberger - April 1994

Der Vorschlag des BGA zur Problematik der Nahrungsergänzungsmittel (food supplements) legt sich zwar - im Hinblick auf eine noch zu erfolgende Grundsatzdiskussion - nicht für oder gegen bestimmte Richtlinien fest, es ist aber aus der Gesamttendenz des Entwurfs schon offensichtlich, daß man den (EG)-Bürger nicht für mündig genug hält, seine Gesundheit anhand einer sinnvollen Nahrungsergänzung und im Einklang mit den neuesten Forschungsergebnissen auf dem Gebiet der vorbeugenden Ernährungswissenschaft selbst ‘in die Hand zu nehmen’. Gerade diese Haltung aber, die auf eine bürokratische Bevormundung ohne Sinn und Zweck hinausläuft, ist zum großen Teil an der heutigen Misere im Gesundheitswesen mit verantwortlich.

Wenn auf der einen Seite der Schutz des Bürgers gegen atmosphärische, elektromagnetische und akustische Umweltbelastungen geradezu als inexistent angesehen werden muß (es wäre wohl auch Aufgabe des Bundesgesundheitsamtes, hier schützend einzugreifen), so soll offensichtlich auf der anderen Seite auf dem Umweg über die Gesetzgebung dem Bürger eines der letzten ihm verbleibenden Mittel der biologischen ‘Selbstverteidigung’ aus der Hand genommen werden.

Unser Trinkwasser ist vielerorts zu einer fast ungenießbaren Brühe geworden, denn die relativen ‘Grenzwerte’ des zulässigen Verschmutzungsgrades werden je nach Bedarf manipuliert. Auf jeden Fall filtern die meisten Familien das Trinkwasser nach oder sind ganz auf den Gebrauch von Mineralwasser umgestiegen.

Unsere Nahrungsmittel sind durch chemische ‘Düngemittel’ ausgelaugt und durch Hormone, Unkraut- und Schädlingsbekämpfungsmittel sowie durch industrielle Bearbeitung zu nährstoffarmen Ballaststoffen geworden. Es ist zwar möglich, Mangelerkrankungen durch geschickte Menüzusammenstellung zu vermeiden, aber für eine optimale Ernährung (echte Gesundheit und hohe Widerstandskraft) reicht’s eben nicht mehr.

Unsere Umgebung hat sich durch Technik und Industrie, welche an Fossilbrennstoffen und Chemie orientiert sind, zu einem allgemeinen Gesundheitsrisikofaktor entwickelt. Die Pharma- und Gerätemedizin hat in der Behandlung vor allem der chronischen Erkrankungen kläglich versagt und unser Immunsystem wird nicht nur mit Umweltgiften, sondern auch mit ‘medicogenen’ Giften wie z.B. den Impfstoffen und den kritiklos angewandten Antibiotika tagtäglich traktiert.

In Anbetracht dieser Tatsachen ist es wohl als der Gipfel bürokratischer Borniertheit anzusehen, wenn die Bevölkerung nun durch Verordnung “vor den unerwünschten Nebenerscheinungen der Nahrungsergänzungsmittel” geschützt werden soll. Es sind nämlich in vielen Fällen gerade Vitaminstoffe und Mineralien sowie andere Nährstoffe, die es dem Einzelnen ermöglichen, sich trotz der kontinuierlichen Angriffe auf seine Gesundheit noch einigermaßen ‘über Wasser zu halten’.

Nach dieser zugegebenermaßen etwas polemischen Einleitung, die aber notwendig erscheint, um der Diskussion eine tiefere Perspektive zu geben, soll nun auf die einzelnen Punkte des BGA-Entwurfs eingegangen werden.

Zu den Definitionen:

Es wird ganz richtig herausgestellt, daß Lebensmittel vorwiegend wegen ihres Nährwertes bzw. zur Ernährung und zum Genuß verzehrt werden und daß die Abgrenzung eines Lebensmittels von Arzneimitteln die Zweckbestimmung ist.

Schon hieraus ist zu folgern, daß ein Nahrungsergänzungsmittel, unabhängig von der jeweiligen Dosierung der einzelnen Nährstoffe, solange es nicht den Anspruch stellt, Arzneimittel zu sein, d.h. solange es nicht mit der Indikation der Behandlung oder Heilung von bestimmten Krankheiten angeboten wird, als Nahrungsmittel und nicht als Arzneimittel angesehen werden muß. Eine Diskussion über Dosisbegrenzung, zumindest nach oben hin, scheint also schon aus grundsätzlichen Überlegungen überflüssig.

Die Definition des Terminus ‘Arzneimittel’ als Produkte, die der Diagnostik, Heilung, Linderung, Behandlung und Prävention von Krankheiten und Störungen von Körper und Geist dienen sollen und/oder die den Aufbau und Funktion von Körper und Geist verändern sollen und die mit dieser Bestimmung in den Verkehr gebracht werden, ist zwar in Übereinstimmung mit den EG-Bestimmungen (65/65), soll aber dennoch etwas näher betrachtet werden.

Zunächst muß festgehalten werden, daß diese Definition vom Gesetzgeber bewußt weit gehalten ist, um alle traditionellen Arzneimittel erfassen zu können. Sie wurde aber nicht in der Absicht formuliert, eine Abgrenzung der Lebensmittel von den Arzneimitteln zu erarbeiten. Die aufgelisteten Eigenschaften können deshalb auch nicht als exklusive Eigenschaften der Arzneimittel bezeichnet werden. In anderen Worten, es kann grundsätzlich einem Nahrungsmittel nicht angelastet werden, daß es imstande ist, “Krankheiten oder Störungen von Körper und Geist zu prävenieren” oder “den Aufbau von Körper und Geist zu verändern”. Seit Jahrtausenden sind diese Funktionen sowohl den Arzneimitteln als auch den Nahrungsmitteln zugekommen, vielfach sogar überwiegend den Nahrungsmitteln. Geschichtlich hatten die Arzneimittel hauptsächlich die Aufgabe der Heilung und Behandlung von Krankheiten, während die Prävention als eine Frage der Lebensführung und hier vornehmlich als eine Frage der gesunden Ernährung eingestuft wurde.

Wenn wir die oben angeführte Definition des Arzneimittelbegriffs näher ins Auge fassen, fällt weiterhin auf, daß, um ein Produkt als Arzneimittel zu bezeichnen, keineswegs die alleinige Wirksamkeit genügt, sondern eine zweite Bedingung erfüllt sein muß. Das Produkt muß auch als Arzneimittel angeboten werden, wie in den Worten “. . . und die mit dieser Bestimmung in den Verkehr gebracht werden” eindeutig zum Ausdruck kommt.

Natürlich ist es nicht möglich, mit dieser Argumentation eine chemische Arzneimittelsubstanz dem freien Verkauf zuzuführen. Wenn es sich aber um Substanzen handelt, die normalerweise mit der Nahrung aufgenommen werden, auch wenn diese Substanzen in höherer Konzentration angeboten werden, so sind diese nicht als Arzneimittel einzustufen, nur weil sie etwa früher auch als Arzneimittel angeboten wurden. Die Zweckbestimmung der Ernährung muß hier überwiegen, vor allem dann, wenn der Hersteller eine arzneimäßige Bestimmung nicht beabsichtigt und dies in der Verpackung klar zum Ausdruck kommt.

Es muß also, aufgrund des oben gesagten, die angestrebte Abgrenzung zwischen Arzneimitteln und Lebensmitteln zugunsten der Lebensmittel verschoben werden, d.h. es muß auch den Lebensmitteln eine zumindest präventive Funktion zugesprochen werden, wie sie auch de fakto existiert und wie sie schon geschichtlich bestätigt wird.

Der Auffassung, daß Nahrungsergänzungsmittel sowohl als diätetische Lebensmittel als auch als Lebensmittel des allgemeinen Verzehrs bezeichnet und in Verkehr gebracht werden können, ist zu folgen. Der Unterschied ergibt sich vornehmlich aus der Zweckbestimmung.

Die diätetischen Lebensmittel sind auf einen spezifischen Ernährungszweck hin ausgerichtet, der auch auf der Verpackung klar deklariert werden muß.

Lebensmittel des allgemeinen Verzehrs und hier auch Nahrungsergänzungsmittel sind nicht spezifisch. Sie werden ohne diätetische Zweckbindung angeboten. Allerdings muß, wie schon oben ausgeführt, der Tatsache Rechnung getragen werden, daß auch die Lebensmittel des allgemeinen Verzehrs zumindest eine Präventivfunktion gegenüber Krankheiten und Störungen besitzen können, sowie die Fähigkeit, Veränderungen in Aufbau und Funktion des Körpers herbeizuführen.

Im Zusammenhang mit der Definition der Nahrungsergänzungsmittel geht der BGA-Vorschlag unter Nr. 4.4 auf den Begriff “Ernährungserfordernis” ein.

Dieser Begriff wird mit der empfohlenen täglichen Verzehrmenge (RDA) gleichgesetzt, ohne jedoch auf die Schwierigkeiten einzugehen, die mit einer Feststellung dieser Verzehrmengen einhergehen, zum einen aufgrund der individuellen Verschiedenheit aller Personen und zum anderen aufgrund der Tatsache, daß für viele Nährstoffe keine oder nur unzureichende Studien vorliegen, aus denen sich eine einiger-maßen sichere Aussage über die tägliche Erfordernis ableiten ließe.

Dieser Mangel an zuverlässigen Forschungsarbeiten geht klar aus dem Bericht des Scientific Committee for Food (EU): “Nutrient and energy intakes for the European Community, 31st Series (1992)” hervor, auf den auch der BGA-Entwurf Bezug nimmt.

Das Kommittee (SCF) weist an vielen Stellen des Berichtes auf die unzureichenden Daten für einzelne Nährstoffe hin. Bei den Verzehrempfehlungen für Kinder stellt der Bericht fest, daß diese Empfehlungen “bestmögliche Annäherungen” (best estimates) darstellen und daß man sie “wahrscheinlich als brauchbare Werte für die Etikettierung von Nahrungsmitteln und für Planungszwecke ansehen sollte, nicht aber als abgesicherte Ernährungserfordernisse.”

Das SCF Kommittee weist weiterhin auf den generellen Mangel an einschlägigen Forschungsarbeiten sowohl in der EG als auch in der Welt im allgemeinen hin und stellt fest, daß “die Ernährungserfordernisse normaler, gesunder Menschen im allgemeinen als niedere Priorität für die medizinische Forschung eingestuft werden”.

Wenn man nun seitens des BGA versucht, die Verfügbarkeit von Nahrungsergänzungsmitteln von solch lückenhafter Forschung abhängig zu machen, wenn Listen von ‘erlaubten Substanzen’ erstellt werden sollen und die Dosierung dieser Substanzen auf ein weitgehend unerforschtes ‘Ernährungserfordernis’ begrenzt werden soll, so geht dies doch wohl entschieden zu weit. Offensichtlich soll hier mehr einem übertriebenen bürokratischen Kontrollbestreben Rechnung getragen werden als einer wirklichen Förderung der Volksgesundheit.

Zur Diskussion Positivliste/Negativliste:

Grundsätzlich ist die Erstellung von Nährstofflisten, seien diese positiv oder negativ, als eine exzessive bürokratische Bevormundung anzusehen. Es ist im Lebensmittelrecht hinreichend festgehalten, daß toxische Substanzen nicht in Lebensmitteln enthalten sein dürfen. Wenn eine negative Nebenwirkung von einigen Nährstoffen in höheren Dosen befürchtet wird, so sei hier nur auf die freie Verfügbarkeit von als Lebens- und Genußmitteln eingestuften Substanzen hingewiesen, wie z.B. Alkohol, und Tabak, deren Schädlichkeit wohl kaum einer Dis-kussion unterliegen, oder dem gewöhnlichen Kochsalz, das in hohen Do-sen schädlich ist, ohne daß sich jemand in den Kopf setzen würde, die Verfügbarkeit dieser Substanzen oder ihre Dosierung zu beschränken.

Abgesehen von der Unmöglichkeit, eine wirklich vollständige Positiv-liste zu erstellen, wäre gerade die Existenz einer solchen Liste eine ernsthafte Behinderung für die notwendigen weiteren Forschungsarbeiten, denn die medizinische Forschung ist, wie schon treffend vom SCF Kommittee festgestellt, nicht an der Erforschung von Nährstoffen interessiert. Auch die Nahrungsmittelforschung wäre durch die Abwe-senheit einer Substanz von einer Positivliste weitestgehend von der Erschließung neuer Substanzen und durch die Anwesenheit einer Substanz von der besseren Erforschung der schon bekannten Nährstoffe abgehalten.

Eine Negativliste erscheint ebensowenig sinnvoll, wie schon eine Lektüre der im BGA-Vorschlag für diese angeführten Gründe zeigt. Man spricht von Nährstoffen, für die unzureichende Daten über die normale bzw. unschädliche Aufnahme vorliegen, von Nährstoffen, für die nationale oder regionale Programme zur Erhöhung der Zufuhr in der Bevölkerung existieren und von Nährstoffen, bei denen eine erhöhte Zufuhr in der Bevölkerung unnötig ist.

Diese Argumentationen zeigen nur noch deutlicher die generelle Unsicherheit und den Mangel an verläßlichen Daten über die einzelnen Nährstoffe. Einen solchen Mangel oder ein nationales oder regionales Programm zur Erhöhung der Zufuhr in der Bevölkerung aber als Grund für das generelle Verbot einer Nährstoffsubstanz anzuführen, geht jedoch nicht an. Ferner können Überlegungen über die Nährstoffzufuhr von ganzen Bevölkerungsgruppen nicht für die Verfügbarkeit von indi-viduell verwendeten Nahrungsergänzungsmitteln von Bedeutung sein.

Auch Nährstoffe, bei denen “aufgrund von Intoxikationen Einigkeit herrscht” und für deren Zufuhrerhöhung “keine wissenschaftlich gesicherten Gründe vorliegen”, sind unseres Erachtens nicht generell zu verbieten. Es würde genügen, diese Stoffe mit einer obligatorischen Warnung auf der Verpackung zu versehen oder auf eine als nebenwirkungsfrei anerkannte Dosierung zu begrenzen. Damit wäre sowohl dem Gesundheitsschutz Rechnung getragen, als auch der Freiheit der Bürger, sich ihre Ernährung so zu gestalten, wie dies ihrem individuellen Bedürfnis und ihrer Überzeugung entspricht.

Eine positive oder negative Festlegung der Identität von Nährstoffverbindungen scheitert schon daran, daß die Kriterien für eine derartige Festlegung notwendigerweise aus der medizinischen Forschung entlehnt werden, der Verwendungszweck dieser Stoffe aber nicht medizinischer, sondern ernährungstechnischer Art ist. Es muß also auf medizinische Forschungen zurückgegriffen werden, die wie schon oben dargestellt, nur für wenige Nährstoffe und Nährstoffverbindungen in ausreichender Quantität und Qualität zur Verfügung stehen und wenn, dann nur deshalb, weil zu irgendeinem früheren Zeitpunkt ein Arzneimittelhersteller den entsprechenden Nährstoff oder die entsprechende Nährstoffverbindung als Bestandteil eines Arzneimittels auf den Markt zu bringen beabsichtigte und zu diesem Zweck Forschungen anstellen ließ.

Es geht aber nicht an, die Zulassung eines Nährstoffes oder Nahrungsmittels von mehr oder weniger zufällig vorhandenen medizinischen Forschungsarbeiten abhängig zu machen. Zumindest müßten für die Nahrungsmittel- und Nahrungsergänzungsmittelindustrie akzeptable Kriterien für die Sicherheit der zu verwendenden Nährstoffe und Nährstoffverbindungen ausgearbeitet werden, die aber von den Anforderungen an Arzneimittel grundsätzlich abzuweichen hätten.

Zur Mengenbegrenzung:

Eine Mengenbegrenzung bzw. Dosisbegrenzung für einzelne Nährstoffe erscheint nur dort sinnvoll, wo eine begründete Besorgnis besteht, d.h. wo es eine klar vorhersehbare ernste Gefahr vom Verbraucher abzuwenden gilt. Dies ist bei sehr wenigen Nährstoffen der Fall und ist gegenwärtig durch freiwillige Einschränkung der Dosierung von Seiten der Hersteller zur Genüge sichergestellt. Jedenfalls sind Fälle von Intoxikationen durch Nährstoffe auch in den USA und in den anglosächsischen Ländern äußerst selten, obwohl in diesen Ländern seit Jahrzehnten Nahrungsergänzungsmittel mit z.T. vielfachen RDA-Dosierungen angeboten werden. Ähnliches kann von anderen, frei verkäuflichen Genuß- und Lebensmitteln wie z.B. stark alkoholischen Getränken und Tabak nicht gesagt werden. Es gibt für diese frei verfügbaren Substanzen tausende von dokumentierten Fällen von Intoxikationen, ohne daß über eine Dosisbegrenzung auch nur ein ernsthafter Gedanke verschwendet werden würde.

Auch wenn der Verbraucherschutz eine zweifellos wichtige Aufgabe ist, sollte man auf der anderen Seite doch tunlichst vermeiden, den Verbraucher ‘zu Tode zu schützen’, d.h. es muß zwischen der Onerosität des angestrebten Schutzes und dem Recht des Einzelnen auf Entscheidungsfreiheit sehr wohl abgewägt werden, um eine zu strikte bürokratische Bevormundung des Bürgers auszuschließen. In diese Erwägungen muß auch der (mögliche) Nutzen einer freien Verfügbarkeit adäquater Nährstoffkonzentrationen Eingang finden, welche es dem Einzelnen ermöglicht, eigene individuelle Vorbeugungsmaßnahmen durch sinnvolle Ernährungsauswahl zu treffen. Was hier als sinnvoll anzusehen ist, müssen wir dem Einzelnen überlassen. Auf jeden Fall sind nicht die ‘Experten’ der konventionellen Medizin kompetent, hierüber zu entscheiden, denn ihr Studium umfaßt nicht die notwendigen Kenntnisse der neuesten Forschungen auf diesem Gebiet.

Wenn schon eine Mengenbegrenzung nach oben äußerst zweifelhaft erscheint, so ist eine Begrenzung nach unten hin absolut nicht durch Verbraucherschutzüberlegungen zu rechtfertigen, es sei denn, man wolle das Leben aller Bürger in den kleinsten Einzelheiten kontrollieren. Es würde vollauf genügen, eine vollständige Etikettierung, mit klaren Mengenangaben pro Dosiseinheit oder pro Tablette/Kapsel zu verlangen. Jeder Verbraucher wäre dann selbst in der Lage, zu kontrollieren, was er zu sich nimmt.

Zur Etikettierung:

Es erscheint überflüssig, eine “Verkehrsbezeichnung” von Nahrungsergänzungsmitteln einführen zu wollen. Es sind dies normale Nahrungsmittel, die hauptsächlich aus einem oder mehreren Nährstoffen oder aus anderen natürlichen Substanzen mit hohem Nährwert bestehen. Ihre Natur geht aus der Beschreibung auf der Verpackung klar hervor, ohne daß eine neue ‘Kategorie’ für sie geschaffen werden muß.

Was diätetische Nahrungsergänzungsmittel betrifft, sind diese den bestehenden Bestimmungen für diätetische Lebensmittel unterworfen.

Zur vollständigen Etikettierung (Punkte 2 - 5) ist nichts hinzuzufügen, obwohl die Utilität einer Anführung der empfohlenen Tagesdosis und eines Prozentsatzes derselben, angesichts der unsicheren und mangelhaften Forschungsdaten und der Orientierung der Tagesdosen als Bevölkerungsreferenzwerte, nicht als individuelle Nährstoffbedarfswerte, in dieser Hinsicht zweifelhaft erscheint.

Nichts ist gegen einen Hinweis nach Punkt 6 (Produkte für Erwachsene) einzuwenden. Hingegen erscheint es unnötig restriktiv, auch gesundheitsbezogene Werbebehauptungen (Punkt 7) vonvornherein auszuschließen, denn auch die Nahrungsmittel und vor allem die höheren Nährstoffkonzentrationen können sehr wohl eine präventive Funktion haben und es ist nicht einzusehen, warum der Verbraucher über diese Funktion nicht informiert werden soll.

Zum Richtlinienentwurf des BGA:

Aufgrund der oben gemachten Ausführungen erscheint das Projekt einer Codex Richtlinie für Nahrungsergänzungsmittel als bestenfalls überflüssig, jedenfalls aber als eine ungerechtfertigte Einschränkung des Rechts der freien Entfaltung der Persönlichkeit, das auch das Recht der freien Auswahl der Ernährung einschließen muß.

Wenn auf der einen Seite die Notwendigkeit des Verbraucherschutzes auch nicht abzuleugnen ist, so ist doch auf der anderen Seite ein wichtiges Rechtsgut, das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit und das Recht auf Selbstbestimmung, zumindest ebenso schutzwürdig. Auch eine Abwägung des Schaden/Nutzen Effektes ist unabdingbar. Der äußerst geringe Schaden, den nichtregulierte Nahrungsergänzungsmittel effektiv anzurichten imstande sind und der Nutzen, der (vor allem auch im Hinblick auf die ständig steigenden Ausgaben der einzelnen Staaten für medizinische Betreuung und für die Pflege chronisch Kranker) durch die freie Verfügbarkeit dieser Substanzen für die Volksgesundheit entstehen könnte, sind sorgfältig gegeneinander abzuwägen, bevor man in eine übereilte ‘Verregulierung’ dieser Produktkategorie verfällt.

Es erscheint daher grundsätzlich zweifelhaft, ob eine Regulierung der Nahrungsergänzungsmittel in der vom BGA vorgeschlagenen Art überhaupt gerechtfertigt ist. Im Falle einer Bejahung dieser Frage ist es aber unerläßlich, hier äußerst behutsam vorzugehen, denn die katastrophale Situation der heutigen Medizin, insbesondere bei der Vorbeugung, ist für die einzelnen Staaten zu einem äußerst kritischen Faktor geworden und eine Überregulierung der alternativen Methoden der Gesunderhaltung, einschließlich der Ernährung, könnte zu einer rapiden und eventuell nicht wiedergutzumachenden Verschlechterung der Volksgesundheit führen.

Wir empfehlen deshalb, auf eine Regulierung der Nahrungsergänzungsmittel im Codex Bereich, zumindest in der vom BGA vorgeschlagenen Form, zu verzichten und im gegenteiligen Fall so behutsam wie möglich und nur in Übereinstimmung mit der einschlägigen Industrie und den Verbrauchern vorzugehen.

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